Was ist SE?

Somatic Experiencing – Körperliches Erleben

Somatic Experiencing, abgekürzt „SE“ ist eine Gesprächsform, bei welcher das körperliche Erleben eines Traumas verarbeitet wird. Im Gegensatz zu vielen anderen Methoden, bei denen psychische Schwierigkeiten im Vordergrund stehen, werden im SE psychisches und physisches Erleben gemeinsam betrachtet.

Bei einem traumatischen Ereignis geschehen Erlebnisse zu schnell, zu intensiv, zu früh oder zu unerwartet. Dies gilt nicht nur für die Gefühlsebene, sondern vor allem für unseren Körper. Wir sind uns der Reaktionen unseres Körpers in einem solchen Moment kaum bewusst, da wir mehr mit unseren Gefühlen beschäftigt sind. Soll ich wegrennen, kämpfen oder mich ergeben? Ein Berg von Emotionen stürzt auf uns, wenn wir die Kontrolle über unser Fahrzeug verlieren und plötzlich realisieren, dass der unvermeidbare Zusammenstoss bevorsteht…

Bei all diesen überwältigenden Erfahrungen ist unser Körper im Bruchteil einer Sekunde bereit, blitzschnell auf unsere Entscheidungen zu reagieren. Das gesamte Nervensystem läuft in einem solchen Moment mit höchster Leistung und Präzision. Unvorstellbare Energiemengen können in einem solchen Moment vom Körper zu Verfügung gestellt werden, um einen Ausweg aus der bedrohlichen Situation zu finden. Meistern wir diese Situation mit Erfolg, indem wir überleben, unverletzt bleiben und uns wieder in Sicherheit fühlen, so bleibt oft ein seltsames Körpergefühl zurück. Wir mögen es einen Adrenalinstoss, ein Schreckgefühl oder auch anders nennen. Jeder von uns kennt diese Momente in welchen wir feststellen, dass unser Körper Schwerstarbeit geleistet hat und es einige Zeit dauert bis wir wieder festen Boden unter den Füssen fühlen. Ganz im Gegensatz zu Tieren in der freien Laufbahn, erlauben wir Menschen es uns in einem solchen Moment oft nicht, die angestauten Energien in unserem Nervensystem zu entladen. Eine Katze würde vielleicht ins nahe gelegene Gebüsch rennen und dort ihren Schreck ausschlafen, ein Reh würde für einige Sekunden am ganzen Leib zittern, ein Hase Freudensprünge auf die gelungene Flucht machen. Doch wir Menschen werden nicht wie sie von instinktiven Reaktionen geleitet, sondern meist von sozialer Anpassung. Wir mögen nach einem Unfall ein Protokoll ausfüllen, nach einem peinlichen Sturz schnell aufstehen, um unsere Stärke zu beweisen, oder bei einer Misshandlung eigene Gewissensbisse oder Scham erleiden. Doch es wäre auch für den Menschen wichtig, die angestaute Energie möglichst bald zu entladen.

Das hoch entwickelte Nervensystem eines Menschen ist zwar zu erheblich grösseren Leistungen fähig, als dasjenige der Tiere, auf traumatische Erlebnisse ist es jedoch anfälliger. Dabei wird es durch extreme Einwirkungen überfordert und hat oftmals zu wenig Möglichkeiten, die mobilisierten Energien wieder zu entladen. Das bedeutet, dass der Körper in einer Art von Überlebensmodus bleibt und nicht mehr in den Normalzustand zurückkehren kann. Obwohl wir das unangenehme Erlebnis vielleicht schon beinahe vergessen haben, ist unser Körper manchmal noch nach Jahren in diesem Überlebensmodus und kann sich nicht daraus lösen. Deshalb mag eine Hausfrau bei einem Grossaufgebot der Polizei in ihrem Quartier plötzlich von den beängstigenden Gefühlen, ihrer Kriegserfahrungen vor 50 Jahren überfallen werden. Oder jeder bärtige Mann beängstigt uns, da eine ähnliche Person vor Jahren in unser Haus eingebrochen war. Kehrt der Körper aus diesem Überlebensmodus nicht mehr in den Normalzustand zurück, so ist die Kapazität unseres Reaktionsvermögens eingeschränkt. Der Körper wird zwar Möglichkeiten finden auch mit dieser Situation zu leben, aber dennoch können Wochen oder Monate nach einem traumatischen Erlebnis Symptome auftreten. Solche Symptome entstehen schon wenige Stunden nach einem Ereignis und wandeln sich oft im Laufe der Zeit. Kopfschmerzen, Verspannungen, Schlafstörungen, Alpträume, Depressionen, Vergesslichkeit, Hilflosigkeit, Empfindlichkeit, Stimmungsschwankungen, Beziehungsstörungen, Vorliebe für gefährliche Situationen, das Gefühl, nicht ganz im Körper zu sein und vieles mehr können solche Symptome sein. All diese unerwünschten Symptome mögen aus einer Überlastung des Nervensystems entstehen. SE hilft in einer solchen Situation den Überlebensmodus abzubauen und die blockierten Energien wieder frei verfügbar zu machen. Dies geschieht nicht, indem die KlientIn direkt in sein traumatisches Erlebnis zurückgeführt wird, denn in den Traumasymptomen selbst sind die Energien, Potentiale und Ressourcen enthalten, die wir für eine heilende Transformation benötigen. Mit diesen Potentialen arbeitet SE. Das Zurückgewinnen der verlorenen Ressourcen macht SE zu einem angenehmen Weg, ein traumatisches Erlebnis zu transformieren. Dabei führen die im Körper gebundenen Energien, Emotionen und Gedanken die KlientIn und den SE-Practitioner, wobei es wichtig ist, dass die KlientIn die Kontrolle über den Verlauf der Sitzung behält.